Liebesgeschichten und Heurathssachen

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Der Artikl is im Dialekt Weanarisch gschriem worn.
Daten
Titl: Liebesgeschichten und Heurathssachen
Goddung: Posse mit Gesang in Drey Acten
Originalsproch: Deutsch
Autor: Johann Nestroy
Literarische Voarlog: Patrician and Parvenu von John Poole
Musi: Michael Hebenstreit
Eascheinungsjoar: 1843
Uaauffiahrung: 23. März 1843
Oat vo da Uaauffiahrung: Theater an der Wien in Wean
Oat und Zeid vo da Handlung: Die Handlung spielt in einem Dorfe in einiger Entfernung von der Hauptstadt,[1] theils in dem Gasthofe, theils im Hause des Herrn von Fett
Personen
  • Florian Fett, ehemals Fleischselcher, jetzt Particulier[2]
  • Fanny, dessen Tochter
  • Ulrike Holm, entfernt mit Herrn von Fett verwandt
  • Lucia Distel, ledige Schwägerin des Herrn von Fett
  • Anton Buchner, Kaufmannssohn
  • Marchese[3] Vincelli
  • Alfred, dessen Sohn
  • der Wirt zum silbernen Rappen
  • die Wirthin
  • Philippine, Stubenmädchen bey Herrn von Fett
  • Georg, Heinrich, Bediente bey Herrn von Fett
  • Kling, Kammerdiener des Marchese
  • Nebel
  • Schneck, ein Landkutscher
  • ein Wächter[4]
  • Hausknecht, Kellner, Magd im Gasthof zum silbernen Rappen

Liebesgeschichten und Heurathssachen is a Posse mit Gesang in Drey Acten von Johann Nestroy. Des Stückl is 1843 vafåsst wua'n und håt aum 23. März von dem Joahr ois „Benefiz-Voastöllung“ füa'n Dichta söwa sei easchte Auffüahrung g'håbt.

Inhoit[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

Im „Silbernen Rappen“ treff'n si oide Freind: da mitt'llose Kaufmaunnssohn Anton Buchner, dea wo nåch 2 Joahr Umadumreis'n sei Geliabte Fanny, de Tochta vom ehemålich'n Fleischsöcha und jetztig'n reich'n Partikulier Florian Fett, heirat'n mechtat und da Alfred, da Sohn vom Marchese Vincelli, dea wo inkognito ois Sekretäa beim Fett oawat. Da Alfred is in de Ulrike valiabt und füacht', dass sei Voda z'wengan Staundesdünk'l in de Hochzeit net eiwüllich'n wiad. Da schwea vaschuidete, oawatsscheiche Spitzbua Nebel bemüht se um de lediche nimma gaunz junge Schwägarin vom Herrn von Fett, de Lucia Distel, owa nua z'weg'n ihra Mitgift:

„[…] wenn man aber nix glernt, und nirgends gut gethan hat, wenn man dabei eine spezielle Abneigung gegen die Arbeit und einen Universal-Hang zur Gaudée[5] in sich trägt, und dennoch die Idee nicht aufgiebt ein vermöglicher Kerl zu wer’n, darin liegt was Grandioses.“ (I. Act, 5te Scene)[6]

Duach a Missvaständnis hoit da Fett in Nebel füa'r an hoch'n Sprößling und endli sogoa füa'n Sohn vom Marchese Vincelli. Dea vameintlich Åd'liche warat eahm ois Bräutegam füa sei Tochter Fanny gråd recht. Da Nebel intregiat deshoib gaunz gewoitich, damt a den Anton und de Fanny ausanaundabringt.

Wia se daunn olle Vawechslungan do no aufkläa'n, wüllicht da Marchese in de Vabindung von sein Sohn ei, weul a in da Ulrike de Tochta von seina ehemålich'n Jug'ndliabschåft dakennt und in Alfred sein Schmäh glaubt, dass de Hochzeit eh scho im G'haaman g'schloss'n wua'n is. Aa da Fett is jetzt'n eivastaund'n, dass si da Anton und de Fanny valob'n. Da Nebel, dem seine Hintafotzichkeit'n olle aufumma san, resegniat aum End':

„Jetzt muss ich schau’n, dass mich der guten Wirthin ihr Mann als Oberkellner nimmt.“ (III. Act, 17te Scene)[7]

Weaksg'schicht'[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

De Haundlung is dera englisch'n Poss'n Patrician and Parvenu[8] (Patrizier und Parvenu)[9] von John Poole (1786–1872) nåchg'schrieb'n. Des Origenäu håt aum 21. März 1835 im Theatre Royal Drury Lane[10] von London sei Easchtauffüahrung g'håbt. Es is vom Nestroy zu ana Poss'n umbaut wua'n, de wo den åd'lich'n Staundesdünk'l anaseits und den neokapetalistisch'n Hochmuat aundraseits in ana schoaf'n Satire beschreibt. A zweite, net verifeziaboare Quö'n håt da Nestroy bei seina Beoawatung mit'n Vameak „Scene nach Ogl“ (= Origenäu) ohne nähare Augåb'n g'naunnt; es kenntat si dabei um a zeitgenössische (Zeidungs-)Anekdot'n g'haund'lt hau'm. Des Weak is nua weniche Maunat' nåch dem net b'sundas eafoigreich'n Stückl Die Papiere des Teufels (Easchtauffüahrung aum 17. Novemba 1842) vafåsst wua'n.

Nåch'n Theatazedl von da Easchtauffüahrung[11] håt da Nestroy den Nebel, da Wenzel Scholz den Particulier Florian Fett, da Alois Grois den Marchese Vincelli, da Ignaz Stahl den Wirten und de Eleonore Condorussi des Stub'nmadl Philippine g'spüit.

An Origenäumanuskript in Nestroy seina Haundschrift ist genau aso ois wia de Reinschrift von Nebel sein Weana Couplet im II. Act, 8te Scene no vuahaund'n.[12] Des Roi'nheft von Nebel seine zwaa Couplets (Singstimm' und Text) im II. Act, 8te Scene und im III. Act, 8te Scene ist nua'r in ana Aufzeichnung von fremda Haund eahoit'n blieb'n.[13]

Zeidungskritik[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

De zeitgenössische Kritik woa greßt'nteus posetiv, so håt Der Sammler aum 25. März 1843 g'schrieb'n (S. 190 f.):

„Zieht man nun noch in Anbetracht, dass dem Dialog eine Fülle von Witz, Satyre, pikanter Einfälle und komischen Pointen innewohnt, und dies besonders in jenen Szenen, wo Hr. Nestroy selbst mitwirkend ist, dass ferner die neuesten Kouplets dieses Abends zu den gelungensten gehören, die der Feder des genialen Volksdichters entflossen, und dass endlich die Hauptrollen in den besten Händen waren, so wird es jedem unserer freundlichen Leser leicht erklärlich sein, dass diese Novität einen glänzenden Succeß hatte, und eine sehr beifällige Aufnahme erfuhr.“[14]

Weda in dera Rezenseaun, no in dera aum gleich'n Tåg easchienanan im Wanderer (S. 190 f.) is – vamutlich aus Unkenntnis – eawähnt wua'n, dass de Vualåg an englische comedy g'wes'n is. Der Wanderer nennt in Nestroy „Alleinherrscher im Reiche des Jokus“.[14]

Aundas håt des da üwa de Poss'n imma recht kritisch schimpfate Rezensent von de Sonntagsblätter, da Dr. Wagner, g'sehg'n, dea wo aum 26. März (S. 301 f.) konstatiat håt, es tättat se goa net lohna, de zeitgenössische „Possen-Seichtigkeit“ zum besprech'n, wobei aa da Nestroy net ausg'numma warat. Da Inhoit is „ganz haltlos“, a „fadenscheiniger Stoff“, aun den da Nestroy a „unerschöpfliche Fülle seines Witzes und seiner Laune“ vaschwendet hättat – immahin eigentlich eh a Komplement füa'n Dichta.[14]

De Kritik in Adolf Bäuerle seina Wiener Theaterzeitung vom 27. März (S. 331) woa wia fåst imma volla Lob. Ois easchta und anzicha håt da Bäuerle den korrekt'n Nauman von dera englisch'n Vualåg g'nennt, nua aun dem füa de Hauptpeason Nebel unglücklich'n Ausgaung håt a se g'stess'n – wobei sowås beim Nestroy tåtsächli sunst'n kaum je vuakumma is:

„Das Publikum sieht es nicht gerne, wenn der komische Hauptheld des Stückes am Ende so spurlos verschwindet, wenn er mit langer Nase abziehen muss, wenn er gleichsam verstoßen wird, und untergeht, indeß die Nebenpersonen mit Glück und Freude überschüttet werden. Referent hätte dem lustigen Kauz Nebel ohne Anstand die Mamsell Lucie Distel mit ihren 40.000 [15] an den Hals geworfen.“[14]

Dageg'n håt de Wiener Zeitschrift vom 27. März (S. 485 f.) in Nebel an „Lumpen“ g'hass'n, dem „der Sieg des Besseren“ föh'n tättat und aussadem woa dem Kritika de „Verhöhnung des Adels“ unaungenehm.[14]

Spätare Fåchkritik[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

In Fritz Brukner und in Otto Rommel woa 1928 de englische Vualåg no net bekaunnt. Se hau'm owa drauf hig'wies'n, dass de anzalnan Motiv von dem Stückl in da Traditeaun vom Oid-Weana Voikstheata unzähliche Moi vuakumman. Da große Eafoig beim Publekum wiad ebenso eawähnt, ois wia de „merkwürdig farblose“ Oat von de zeitgenössisch'n Zeidungsrezenseaunan. Sogoa de „Verwegenheit der Belauschungsszene“ bleibat söitsaumaweis' dabei uneawähnt, da Protest üwa de Persefliarung vom Åd'l hängat gaunz b'sundas aun da üwatriewanan Doastöllung vom Marchese Vincelli duach'n Herrn Grois z'saumm. In Nestroy seine Vuazensua-Aumeakungan warat zum entnehma, dass a etliche eahm aa scho g'fäahlich vuakummate Passasch'n söwa g'strich'n hättat.[16]

Nåch'n Franz H. Mautner tättat da Nestroy aus dera Vualåg vom John Pool a brat aug'legten Aussåg geg'n an kapetalistisch'n Hochmuat und in Staundesdünk'l måch'n. Des Stückl zeigat speziö den Masta von da Språch in de schenial'n Wuatschöpfungan und im Witz, in da Vastrickung, da Vaknüpfung und da Auflösung von de vüi'n neb'nanaunda laufat'n aufs Hechste zuag'spitzt'n Haundlungan. Unhöfli warat freili de Behaundlung von dera oid'n Jungfa Lucia Distel, neuch beim Nestroy da Ausschluss von da zynisch'n Hauptfigua Nebel aus'n groß'n „Happy End“.[17]

Da Helmut Ahrens weist drauf hi, dass de Poss'n mit iahre unfreindlich'n Sätz' üwa Liebe, Ehe und Zuneigung „keineswegs Eingeständnis einer glücklosen eheähnlichen Gemeinschaft“ (Zitat) mit seiner Lebensgefährtin Marie Weiler warat, sunda'n vüimeah a Spitz'n geg'n Åd'lsdünk'l und großsprecharische G’schaftelhuawarei von de „nouveaux riches“ (Neureich'n). Weu owa im Publekum goa net so weniche von dene von eahm bloßg'stöit'n Typ'n g'sess'n san, warat da große Beifoi umso bemeak'nsweata g'wes'n. De egoistische menschliche Natua geißelt da Dichter im Monolog vom Opportunist'n Nebel, de wo a söwa g'spüit håt:

„Ich werd' mich jetzt auf den Eh’stand verlegen und dabei allen Anforderungen der Ästhetik entsprechen; meine Auserwählte is nämlich reich und dabei nicht ohne Unliebenswürdigkeit, ich schließe also eine Vernunftheirat, eine Geldheirat und zugleich eine Heirat aus Inklination,[18] weil ich eine unendliche Inklination zum Geld hab'.“ (I. Act, 5te Scene)[19]

Literatua[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

  • Helmut Ahrens: Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. Johann Nestroy, sein Leben. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1982, ISBN 3-7973-0389-0.
  • Fritz Brukner/Otto Rommel: Johann Nestroy, Sämtliche Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, elfter Band, Verlag von Anton Schroll & Co., Wien 1928.
  • Jürgen Hein (Hrsg.): Johann Nestroy; Stücke 19. In: Jürgen Hein/Johann Hüttner: Johann Nestroy, Sämtliche Werke, Historisch-kritische Ausgabe. Jugend und Volk, Wien/München 1988, ISBN 3-224-16901-X; S. 1–84, 113–234.
  • Franz H. Mautner (Hrsg.): Johann Nestroys Komödien. Ausgabe in 6 Bänden, Insel Verlag, Frankfurt am Main 1979, 2. Auflage 1981, IV. Band.
  • Otto Rommel: Nestroys Werke, Auswahl in zwei Teilen, Goldene Klassiker-Bibliothek, Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin/Leipzig/Wien/Stuttgart 1908; 1. Teil S. 313–381, 2. Teil S. 357–358.

im Netz[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

Beleg[Werkeln | Am Gwëntext werkeln]

  1. g'maant is Wean
  2. Particulier = französesch: a Privatmau, a vamögenda Rentna
  3. Marchese = italienischa Ad'lstit'l zwisch'n Graf und Heazog, schau bei Markgraf#Italien
  4. Wächter, Wachter = G'moadiena mit Polizeifunkteaun
  5. (die) Gaudée = weanarisch füa G'spaß, Untahoitung, Lustboakeit; kummt vom vulgäalateinisch'n gaudia (fem.)
  6. Jürgen Hein: Johann Nestroy; Stücke 19. S. 12.
  7. Jürgen Hein: Johann Nestroy; Stücke 19. S. 84.
  8. Text in Jürgen Hein: Johann Nestroy. Stücke 19, S. 275–317.
  9. Parvenu = französesch: Empoakömmling, Neireicha
  10. schaug bei Theatre Royal Drury Lane
  11. Faksimile vom Theatazedl in Jürgen Hein: Johann Nestroy. Stücke 19, S. 270.
  12. Handschriftensammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur I.N. 33.340 und I.N. 33.341 (Reinschrift vom Liad).
  13. Musiksammlung der Wienbibliothek im Rathaus, Signatur M.H. 9054/c.
  14. 14,0 14,1 14,2 14,3 14,4 Jürgen Hein: Johann Nestroy. Stücke 19, S. 146–156.
  15. fl. = Ohküazung füa Guid'n (Gulden)
  16. Fritz Brukner/Otto Rommel: Johann Nestroy, Sämtliche Werke. S. 622–623.
  17. Franz H. Mautner: Johann Nestroys Komödien. S. 318.
  18. Inklination = Neigung; vom lateinisch'n inclinare (zua)neig'n, si neig'n
  19. Helmut Ahrens: Bis zum Lorbeer versteig ich mich nicht. S. 252